Zwangsstörung (OCD) | Zwangsgedanken
Zwangsgedanken sind aufdringliche Gedanken, Bilder oder Impulse, die plötzlich im Bewusstsein auftauchen, ohne dass sie aktiv hervorgerufen werden. Von den Betroffenen werden sie als unerwünscht, störend, hartnäckig und wiederkehrend erlebt. Das "Zwang" in Zwangsgedanke steht nicht, wie oftmals missverstanden wird, für zwanghaft, sondern für aufgezwungen. Das heisst, ein Mensch, der unter Zwangsgedanken leidet, denkt nicht willentlich und zwanghaft über etwas nach, sondern die Gedanken zwingen sich ihm unwillentlich auf.
Gedankenrasen: Manchmal rasen die Zwangsgedanken regelrecht durch den Kopf. Es fällt dann unheimlich schwer, klar und vernünftig zu denken.
Die Zwangsgedanken, resp. deren Bewertung, lösen bei den Betroffenen enormen inneren Stress und unangenehme Gefühle in hoher Dosis aus. Das können Angst, Zweifel, Schuld, Scham oder Ekel sein. Oftmals berichten die Betroffenen auch von Unruhe, Unbehagen oder Anspannung, was letztendlich alles Synonyme von Angst sind. Diese Gefühle untermauern die vermeintliche Wichtigkeit der Zwangsgedanken und werden von den Betroffenen als Bedrohung wahrgenommen.
Als Reaktion auf die gefühlte Bedrohung setzen die Betroffenen sogenannte Zwangshandlungen ein. Das können physische Handlungen oder mentale Rituale sein. Sie dienen dazu, um einerseits die überwältigenden Gefühle zu beruhigen und andererseits die Zwangsgedanken zu neutralisieren oder wieder loszuwerden. Die Zwangshandlungen selbst werden im Gegensatz zu den Zwangsgedanken willentlich und zwanghaft durchgeführt. Kurzfristig sorgen sie auch tatsächlich für Erleichterung, langfristig entsteht aber genau dadurch ein Teufelskreis.
Inhaltlich können sich Zwangsgedanken über jedes beliebige Themengebiet erstrecken. Dennoch haben sich einige Themen herauskristallisiert, die bei einer Mehrheit der Betroffenen in Erscheinung treten. Das liegt an der perfiden Vorgehensweise der Zwangsstörung (OCD). Sie greift jene Dinge an, die dem Betroffenen am wichtigsten sind, und widerspricht damit oftmals seinen tiefsten Kernwerten. Da vielen Menschen dieselben Dinge wichtig sind, wiederholen sich zwangsläufig auch die Themen, die die Zwangsgedanken bedienen.
Zwangsgedanken sind keine bizarren Fantasien, denen die Betroffenen freiwillig oder womöglich sogar gerne nachhängen. Vielmehr sind sie das Produkt aus Tortur, Qual und Folter. Sie fühlen sich von ihnen in Angst und Schrecken versetzt und wünschen sich nichts sehnlicher, als sie wieder loszuwerden, sofort und für immer. Die Betroffenen befürchten, dass sich die Gedanken bewahrheiten könnten, oder noch schlimmer, dass sie sie in die Tat umsetzen könnten. Auch wenn das eine häufige Befürchtung ist, gibt es meines Erachtens bis heute keinen dokumentierten Fall, bei dem das tatsächlich passiert wäre.
Betroffene erkennen die Zwangsgedanken als ihre eigenen Gedanken. Sie haben in der Regel eine hohe Einsicht in deren Unsinnigkeit, können aber aufgrund der gefühlten Bedrohung nicht von den Zwangshandlungen ablassen.
Gut zu wissen: Auch Menschen ohne Zwangsstörung (OCD) haben übrigens hin und wieder aufdringliche Gedanken, Bilder oder Impulse, wie sie weiter unten beschrieben werden. Der grosse Unterschied liegt aber darin, dass sie sich dadurch nicht bedroht fühlen. Sie wundern sich höchstens, wo die Gedanken herkamen, und haben sie kurz darauf bereits wieder vergessen.
Themengebiete (OCD-Subtypen)
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Diese Seite soll einen breiten Überblick über die gängigsten Themengebiete und die entsprechenden Zwangsgedanken liefern. Zu jedem Themengebiet gibt es einen separaten Abschnitt, bestehend aus einem Bild, einer Überschrift, den Bezeichnungen der gängigsten OCD-Subtypen aus dem angelsächsischen Raum, einer Beschreibung und Beispielen von typischen aufdringlichen Gedanken, Bildern oder Impulsen. Mit dem nachfolgenden Schnellwahlmenü kann direkt zum gewünschten Themengebiet navigiert werden.
Gewisse Gedanken können gleichzeitig mehrere Themengebiete tangieren, wie beispielsweise das Thema "Vergewaltigung", das sowohl einen gewalttätigen als auch einen sexuellen Anteil aufweist. In erster Linie dient die Einteilung dazu, eine Ordnung und einen Überblick zu verschaffen. Ein Betroffener leidet unabhängig vom Etikett, das den jeweiligen Gedanken verpasst wird.
Gewalt (Harm OCD, Self-Harm OCD, Suicidal OCD, Hit and Run OCD, Pregnancy OCD, Perinatal OCD, Postpartum OCD)
Unter diesem Themengebiet werden alle aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse mit gewalttätigem Inhalt zusammengefasst. Das kann sowohl Gewalt gegen andere als auch gegen sich selbst sein. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn meine Partnerin im 3. Stock die Fenster putzt, taucht plötzlich die Befürchtung auf, ich könnte sie absichtlich aus dem Fenster schubsen.
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Wenn ich einen scharfen Gegenstand sehe, läuft vor meinem geistigen Auge ein Film ab, wie ich damit meiner Mutter die Kehle aufschlitze.
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Wenn ich am Bahnhof stehe und auf den Zug warte, verspüre ich plötzlich den Drang, einen wildfremden Mann auf die Gleise zu stossen.
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Wenn ich über eine Brücke laufe, halte ich mich immer in der Mitte auf, damit ich nicht plötzlich herunterspringen kann.
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Wenn mein Kind in die Badewanne klettert, verlasse ich das Badezimmer, damit ich es nicht würgen und ertränken kann.
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Wenn ich Auto fahre und einen beliebigen Fussgänger sehe, muss ich das Lenkrad krampfhaft festhalten, damit ich ihn nicht überfahre.
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Wenn ich durch die Altstadt laufe, muss ich mich ständig umdrehen, um sicher zu gehen, dass ich niemanden geschlagen habe.
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Wenn ich Flaschen mit giftigen Substanzen sehe, verspüre ich einen Impuls, daraus zu trinken oder sie über mich zu giessen.
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Wenn ich immer so gewaltvolle Gedanken habe, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich überschnappe und sie in die Tat umsetzen werde.
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Wenn ich mich mit einem sympathischen Menschen unterhalte, verspüre ich den Drang, ihn zu beleidigen, zu beschimpfen oder zu schlagen.
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Wenn ich mein Baby ins Bett bringe, nehme ich einen Impuls wahr, ihm die Decke über den Kopf zu ziehen.
Kontamination (Contamination OCD)
Bei diesem Themengebiet beschäftigen sich die aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse mit Krankheiten, Bakterien, Viren, Ansteckung, Verunreinigung, Schmutz und Staub. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich eine öffentliche Toilette benutze, werde ich mich bestimmt mit einer tödlichen Krankheit anstecken.
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Wenn ich nach Hause komme, muss ich sofort ausgiebig die Hände waschen, um meine Liebsten vor Bakterien und Viren zu schützen.
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Wenn ich jemanden in einem Rollstuhl sehe, muss ich sofort den Blick abwenden, sonst riskiere ich, ebenfalls im Rollstuhl zu landen.
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Wenn ich die Namen von Krankheiten, wie Krebs, Tumor oder Aids, laut ausspreche, erhöht sich die Chance, dass meine Liebsten daran erkranken.
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Wenn ich eine Türklinke angefasst habe, muss ich umgehend meine Hände desinfizieren, damit ich keine tödlichen Krankheiten verbreiten kann.
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Wenn ich meine Nase geputzt habe, muss ich das Nasentuch in einen Plastikbeutel einpacken, bevor ich es entsorgen kann.
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Wenn ich nicht jeden Morgen mindestens 2 Stunden dusche, fühle ich mich den ganzen Tag unrein und schmutzig.
Sexualität (Sexual OCD, HOCD, Homosexual OCD, Gay OCD, SO-OCD, Sexual Orientation OCD, ZOCD, Zoophilia OCD, Incest OCD)
Aufdringliche Gedanken, Bilder und Impulse zur Sexualität können die eigene sexuelle Orientierung, verbotene sexuelle Praktiken, Sex mit Tieren und Inzest beinhalten. Eine häufige Spezialform davon ist die Pädophilie, welche in einem separaten Abschnitt thematisiert wird. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich attraktive Menschen desselben Geschlechts sehe, muss ich ständig daran denken, dass ich tief im Innern homosexuell sein könnte.
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Wenn ich meinen Vater besuche, quält mich der Gedanke, dass ich ihn plötzlich unsittlich berühren und Gefallen daran finden könnte.
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Wenn ich eine attraktive Frau sehe, verspüre ich den Drang, sie zu küssen oder ihren Genitalbereich, ihre Brüste oder ihren Po anzufassen.
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Wenn ich meinen besten Kumpel treffe, schiesst mir immer wieder der Gedanke durch den Kopf, dass ich verliebt in ihn sein könnte.
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Wenn ich Sex mit meiner Freundin habe, sehe ich mich selbst, wie ich während des Orgasmus die Kontrolle verliere und sie erwürge.
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Wenn mein Hund mit dem Schwanz wedelt, weil ich ihn kraule, taucht der Gedanke auf, es könnte mir gefallen, ihn sexuell zu befriedigen.
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Wenn ich mich in einem Restaurant mit meinem Date unterhalte, läuft in meinem Kopf pausenlos ein Film ab, wie ich sie auf der Toilette vergewaltige.
Obige Beispiele gelten gleichermassen für Männer als auch für Frauen, zudem funktionieren jene zur Homosexualität genauso in umgekehrter Richtung. Das heisst, homosexuelle Menschen können Befürchtungen dahingehend haben, dass sie tief im Inneren eigentlich heterosexuell seien. Zweifel an der eigenen Sexualität kann letztendlich jede erdenkliche sexuelle Orientierung betreffen.
Pädophilie (POCD, Pedophila OCD)
Bei diesem Themengebiet drehen sich die aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse um sexuelle Handlungen mit Babys und/oder Kindern. Das können sowohl die eigenen als auch fremde Kinder sein. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich meinen Sohn wickle, verspüre ich einen starken Impuls, seinen Penis anzufassen und mit ihm zu spielen.
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Wenn ich meine Tochter wickle, muss meine Frau in der Nähe sein, damit ich mich sicher fühle, dass ich meine Tochter nicht missbrauchen werde.
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Wenn ich auf dem Spielplatz ein süsses Kind sehe, taucht die Befürchtung auf, ich könnte mich sexuell von ihm angezogen fühlen.
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Wenn ich mit meiner Frau schlafe oder masturbiere, blitzen vor meinem geistigen Auge ständig Bilder von nackten Kindern auf.
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Wenn ich alleine mit den Kindern zu Hause bin, schliesse ich mich selbst im Arbeitszimmer ein, damit die Kinder vor mir sicher sind.
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Wenn ich im Bett liege, kann ich nicht einschlafen, weil ich befürchte, ich könnte schlafwandeln und meine Kinder missbrauchen, ohne es zu merken.
Kontrolle (Checking OCD)
Der Name dieses Themengebiets bezieht sich eigentlich gar nicht auf den Inhalt der jeweiligen Zwangsgedanken, sondern auf die Zwangshandlung. Das ist auch der Grund, warum sich aufdringliche Gedanken, Bilder und Impulse hierzu letztendlich um verschiedene Themengebiete drehen können. Der Kontrollzwang ist weit verbreitet und bei den Dingen, die kontrolliert werden, gibt es eine häufige Überschneidung unter den Betroffenen. Typische Gedankeninhalte sind:
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Bevor ich ins Bett gehe, muss ich mehrmals die Eingangstüre kontrollieren, um ganz sicher zu sein, dass kein Räuber oder Mörder hereinkommen kann.
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Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, muss ich immer wieder umdrehen, um mich zu vergewissern, dass ich niemanden überfahren habe.
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Wenn ich das Haus verlasse, muss ich mehrmals Ofen und Herd überprüfen, um ganz sicher zu sein, dass das Haus nicht abfackeln kann.
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Wenn ich das Zimmer verlasse, muss ich immer wieder den Lichtschalter kontrollieren, um mich zu vergewissern, dass das Licht wirklich abgelöscht ist.
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Wenn ich unterwegs bin, muss ich immer wieder in meinen Rucksack schauen, um sicher zu sein, dass mein Portemonnaie noch da ist.
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Wenn ich eine E-Mail verschicke, muss ich sie immer wieder lesen, um zu prüfen, dass sie keine obszönen oder unangemessenen Worte beinhaltet.
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Wenn ich spazieren gehe, muss ich immer wieder umkehren, um ganz sicher zu sein, dass ich beim Vorbeilaufen niemanden geschlagen habe.
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Wenn ich durchs Haus laufe oder im Auto sitze, muss ich immer wieder die Kindersicherungen prüfen, um sicher zu sein, dass nichts passieren kann.
Religion (Religious OCD, Scrupulosity OCD)
Aufdringliche Gedanken, Bilder und Impulse kreisen bei diesem Themengebiet um religiöse Aspekte. Oftmals geht es darum, alles "richtig" machen zu wollen und bloss keine Sünden zu begehen, religiöse Vollkommenheit sozusagen. Dies betrifft Gläubige aus allen Glaubensrichtungen. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich meinen wunderbaren Sohn anschaue, taucht die Befürchtung auf, dass er von Satan besessen sein könnte.
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Wenn ich eine Kirche betrete, schiesst mir ein blasphemischer Gedanke, wie z.B. "Maria ist eine Hure" oder "Jesus ist ein Bastard", durch den Kopf.
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Wenn ich im Bett liege, kann ich nicht einschlafen, weil ich Angst davor habe, dass Satan mich im Schlaf vergewaltigen könnte.
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Wenn ich bete, tauchen obszöne Bilder von Jesus auf. Ich sehe mich, wie ich vor ihm Knie und seinen Penis in den Mund nehme.
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Wenn ich das Gebet nicht fehlerfrei aufsage, muss ich es wiederholen, sonst lande ich ganz bestimmt in der Hölle.
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Wenn ich einen schlechten Gedanken habe, muss ich 10 Vaterunser beten, sonst werden meine Liebsten dafür von Gott bestraft werden.
Moral (Moral Scrupulosity OCD)
Bei diesem Themengebiet drehen sich die aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse um die moralische Integrität eines Menschen. Es geht darum, um jeden Preis ein guter, aufrichtiger und ehrlicher Mensch zu sein, moralische Perfektion sozusagen. Letztendlich ist es vergleichbar mit der Religion, einfach ohne den religiösen Aspekt. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich mich mit anderen Menschen unterhalte, muss ich immer 100% ehrlich sein und die Wahrheit sagen.
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Wenn ich schlecht über etwas oder jemanden denke, bedeutet das, dass ich ein schlechter Mensch bin, denn ein guter Mensch würde nicht so denken.
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Wenn ich mich schlecht verhalten habe, muss ich versuchen, genau herauszufinden, wie schlecht es wirklich war.
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Wenn andere wüssten, was ich gedacht oder getan habe, würden sie mich bestimmt ablehnen.
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Wenn ich etwas mache oder unternehme, muss ich mich immer zu 100% vergewissern, dass ich keine moralischen Regeln oder Gesetze breche.
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Wenn ich in meinen Erinnerungen schwelge, tauchen immer wieder Dinge auf, bei denen ich befürchte, ich könnte unmoralisch gehandelt haben.
Symmetrie und Ordnung (Symmetry OCD, "Just Right" OCD, Perfectionism OCD)
Bei diesem Themengebiet spielen aufdringliche Gedanken, Bilder und Impulse eine eher untergeordnete Rolle. Sie kommen zwar auch vor, aber oftmals geht es einfach nur darum, etwas so anzuordnen oder solange zu wiederholen, bis es sich "richtig" anfühlt. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich das Bett nicht perfekt mache und die Kissen und die Decke komplett glatt streiche, dann wird heute etwas Schlimmes passieren.
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Wenn ich die Bücher im Regal nicht alle exakt genau gleich ausrichte, werde ich den ganzen Tag an nichts anderes mehr denken können.
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Wenn mein Kleiderschrank nicht nach Farbe sortiert ist, fühle ich mich unruhig, angespannt und unwohl.
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Wenn ich neue Schuhe kaufe stelle ich sie unbenutzt in den Schrank, weil ich nicht möchte, dass sie schmutzig werden.
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Wenn ich etwas mit der linken Hand vom Boden aufhebe, muss ich es nochmals hinlegen, damit ich es auch mit der rechten Hand aufheben kann.
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Wenn ich eine E-Mail schreibe, muss ich sie lange überarbeiteten, bis sie sich beim Lesen für mich "richtig" anfühlt, erst dann kann ich sie abschicken.
Beziehung (ROCD, Relationship OCD)
Bei diesem Themengebiet drehen sich die aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse um die Stärke und die Qualität der Beziehung zum eigenen Partner resp. zur eigenen Partnerin. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich ein einziges Detail an meinem Partner finde, das mir nicht gefällt, dann liebe ich ihn bestimmt nicht wirklich.
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Wenn ich eine attraktive Frau sehe, muss ich sofort den Blick abwenden, damit ich mich nicht Hals über Kopf in sie verliebe.
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Wenn ich masturbiere, obwohl ich in einer festen Beziehung bin, kann das nur bedeuten, dass mich mein Partner sexuell nicht mehr anzieht.
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Wenn ich nicht pausenlos an meine Freundin denke, könnte es passieren, dass ich aufhören, sie zu lieben.
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Wenn ich Zeit alleine verbringe und diese geniessen kann, bedeutet dies, dass ich meinen Partner möglicherweise gar nicht wirklich liebe.
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Wenn ich zum Arzt gehe, könnte es passieren, dass ich mich in seine Praxisassistentin verknalle und mit ihr durchbrenne.
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Wenn ich nicht jeden Kuss mit meinem Partner voll und ganz geniessen kann, liebe ich ihn vielleicht nicht wirklich.
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Wenn ich ein einziges Mal keine Lust auf Sex mit meinem Partner habe, dann ist er womöglich nicht der richtige für mich.
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Wenn ich einem attraktiven Mann begegne, muss ich sofort an meinen Partner denken, um zu prüfen, ob ich ihn immer noch liebe.
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Wenn ich meinen Partner ansehe, fällt mein Blick immer zuerst auf seine leicht schiefe Nase, danach kann ich an nichts anderes mehr denken.
Existenz (Existential OCD, Philosophical OCD)
Betroffene von diesem Themengebiet beschäftigen sich schwerpunktmässig mit philosophischen Fragestellungen, auf die es oftmals keine allgemeingültigen und abschliessenden Antworten gibt. Das können die Existenz des Universum, die eigene Existenz, die Existenz von Objekten, die Realität, die Wahrnehmung oder der Sinn des Lebens sein. Typischen Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich in einen Spiegel schaue, frage ich mich immer, ob das tatsächlich mein Spiegelbild ist oder ob es sich nur um eine Illusion handelt.
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Wenn ich an mir heruntersehe, nehme ich zwar Arme und Beine wahr, frage mich aber gleichzeitig, wie ich sicher sein kann, dass ich überhaupt existiere.
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Wenn ich ohnehin irgendwann sterben werde, wie kann es dann überhaupt einen Sinn im Leben geben?
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Wenn ich die Dinge oder Menschen in einem Raum betrachte, versuche ich Beweise dafür zu finden, dass sie tatsächlich existieren.
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Wenn ich mich draussen bewege, beschäftige ich mich damit, wie ich herausfinden kann, dass ich nicht nur eine Figur in einem Videospiel bin.
Horten (Hoarding OCD)
Bei diesem Themengebiet drehen sich die aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse um Befürchtungen, die eintreten könnten, wenn man sich von gewissen Dingen trennen oder gewisse Dinge nicht kaufen würde. Im Gegensatz zum Messie-Syndrom häufen die Betroffenen die Dinge also nicht an, weil sie sie als wertvoll, nützlich oder wichtig erachten. Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich die handgeschriebene Postkarte meiner Oma wegwerfe, könnte ihr etwas Schlimmes zustossen oder sogar ihren Tod verursachen.
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Wenn ich mich von diesen Gläsern trenne, zerbrechen sie womöglich und dann könnte sich der Mitarbeiter der Entsorgungsstelle daran verletzten.
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Wenn ich Dinge im Supermarkt anfasse, sind sie kontaminiert und ich muss sie zwingend kaufen, damit sich niemand anstecken kann.
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Wenn ich diese Zeitschriften wegwerfe, könnte ich es eines Tages bereuen, denn man weiss nie, ob die Informationen nicht irgendwann relevant werden.
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Wenn ich einkaufe, muss ich immer alles in 4-facher Ausführung kaufen, denn 4 ist meine Glückszahl und ich möchte kein Unglück heraufbeschwören.
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Wenn ich nicht mindestens 20 neue Kugelschreiber zu Hause habe, könnte es passieren, dass sie mir ausgehen und ich nicht mehr schreiben kann.
Gesundheit (Health OCD, Health Anxiety OCD)
Die aufdringlichen Gedanken, Bilder und Impulse in diesem Themengebiet drehen sich um Befürchtungen, die die eigene Gesundheit betreffen. Diese Ausprägung weist sehr viele Parallelen zur Hypochondrie auf, und es gibt sogar Studien, die zum Ergebnis kamen, dass es ein und dieselbe Krankheit sei. Ein Unterschied dürfte meiner Meinung nach den Grad der Einsicht betreffen. Ein Hypochonder ist davon überzeugt, dass er krank ist, jetzt in diesem Moment. Die Befürchtungen von jemandem mit einer Zwangsstörung richten sich eher auf die Zukunft, so à la "Was, wenn ich irgendwann schwer krank werde und es verpasse, rechtzeitig zum Arzt zu gehen". Typische Gedankeninhalte sind:
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Wenn ich erfahre, dass jemand, den ich kannte, an Krebs gestorben ist, ist das bestimmt ein Zeichen dafür, dass ich auch Krebs bekommen werde.
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Wenn ich in einer Zeitschrift einen Artikel über eine Krankheit lese, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass ich ebenso daran erkranken werde.
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Wenn ich nicht mindestens einmal im Monat zum Hausarzt gehe, könnte ich das Anfangsstadium von einer schwerwiegenden Krankheit verpassen.
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Wenn ich gute Laborwerte erhalte, befürchte ich, sie könnten vertauscht worden sein, wodurch mir das wahre Ausmass verwehrt bleibt.
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Wenn ich die Packungsbeilage von einem Medikament lese, kann ich danach an nichts anderes mehr denken als die möglichen Nebenwirkungen.
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Wenn ich eine ungewöhnliche Empfindung im Körper wahrnehme, befürchte ich, ich könnte eine tödliche Krankheit haben.
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Wenn ich zum Arzt gehe und er meint, dass alles ist in Ordnung ist, dann vielleicht nur deshalb, weil ich an einer unbekannten Krankheit leide.
So, das waren vermutlich die bekanntesten und die am weitesten verbreiteten Themengebiete, in denen sich Zwangsstörungen wohl fühlen. Die Aufzählung ist allerdings alles andere als abschliessend. Darüber hinaus sind auch zwanghafte Fokussierungen auf Empfindungen (Somatic OCD), Erinnerungen (False Memory OCD), magisches Denken (Magical Thinking OCD), vergangene Ereignisse (Real Event OCD) oder Verantwortung (Responsibility OCD) bekannt. Und es gibt sogar noch weitere, teilweise sehr spezifische Zwangsgedankenthemen, die eher selten anzutreffen sind. Wie eingangs bereits erwähnt, kann grundsätzlich jeder x-beliebige Gedanke ein Zwangsgedanken sein. Es geht weniger um den Inhalt, als vielmehr um die Reaktion, die er bei einem Betroffenen auslöst.
Im Zweifelsfall können wir gerne gemeinsam schauen, ob es sich in deinem ganz spezifischen Fall um Zwangsgedanken und eine Zwangsstörung (OCD) handelt.